Reisebericht von Bodo Bölkow
Jahresfahrt 2017 OG Schmidtheim vom 05.06. bis 11.06.2017 nach Sachsen-Anhalt "Auf den Spuren der Romanik"
Pfingstmontag, 05.06.2017, 5 Uhr 30 Uhr: so mancher Bewohner Schmidtheims wird in aller Herrgottsfrühe von ungewöhnlichen Geräuschen geweckt. Es sind die Rollen von Koffertrolleys, die über unebene Asphaltstraßen zum Dorfplatz gezogen werden. Grund für diese morgendliche Geschäftigkeit: die Ortsgruppe Schmidtheim des Eifelvereins bricht zu ihrer Jahresfahrt 2017 auf. Ziel: auf den Straßen der Romanik durch das Bundesland Sachsen-Anhalt. Darauf hatten sich die 35 Teilnehmer ein Jahr lang gefreut, während Reiseleiter Klaus-Theo Kirchmann zur selben Zeit von den Vorbereitungen für diese Fahrt und einer detaillierten Programmgestaltung „in Atem gehalten“ worden war. Kurzum: Dem morgendlichen Frühstart zu dieser an kulturellen und historischen Höhepunkten reichen Unternehmung stand an diesem Morgen nichts mehr im Wege.
Über Euskirchen - Koblenz ging es zunächst nach Limburg, wo das traditionelle Frühstück bei Kaffee und belegten frischen Brötchen auf die Teilnehmer wartete. Dann ging es weiter über Gießen und Eisenach nach Erfurt, der Hauptstadt Thüringens. Eine Stadtführung einschließlich der Besichtigung des prächtigen Doms stand auf dem Programm. Traditionsreiche Bürgerhäuser mit prachtvollen Giebeln, die bekannte Krämerbrücke mit beiderseits bebauten Häusern zeugen noch heute vom früheren Fleiß der Händler und Kaufleute. Gegen 18 Uhr erreichten die Reisenden Bernburg a.d. Saale, wo im Superior-Hotel Askania für die kommende Woche Quartier bezogen wurde.
An den darauf folgenden Reisetagen reihten sich die Besichtigungshöhepunkte förmlich aneinander, was auch Sinn und Zweck dieser Reise sein sollte, eine Abwechslung vom Alltag der Ortsgruppe, in welchem das Wandern und Naturerlebnisse die zahlreichen Vereinsaktivitäten bestimmen. Und so stand am zweiten Reisetag zunächst die Kleinstadt Quedlinburg auf dem Programm, Weltkulturerbe-Stadt mit kostbaren mittelalterlichen Kirchen- und Kunstschätzen sowie der letzten Ruhestädte König Heinrichs I. Den Nachmittag verbrachte die Gruppe auf dem Hexentanzplatz hoch über dem Bodetal beim Harzstädtchen Thale, ein wahrlich kontrastreicher Programmpunkt, wo inmitten von Hexen- und Teufelsgestalten aus allen möglichen Materialien die Kaffeetafel auf unsere Reisegruppe wartete. Es passte zum Thema Hexensabbat, Teufelspakt und Walpurgisnacht, dass sich der Himmel für eine Stunde verfinsterte und Windböen und Regen einsetzten, um danach wieder genauso schnell zu verschwinden, sodass sich eine mutige Wandergruppe im Bodetal, auch Deutschlands „Grand Canyon“ genannt, im Gasthaus Königsruh die leckeren Windbeutel schmecken lassen konnte.
Am darauf folgenden Tag wurde im Rahmen einer Stadtführung die ehemalige Residenzstadt Bernburg erkundet. Leider bekam die Gruppe den Braunbären im Schlossgehege, dem Wappentier Bernburgs („Bärenburg“) und Sachsen-Anhalts, nicht zu Gesicht, wohl aber ein paar Unentwegte, die in ihrer Freizeit die Stadt noch einmal auf eigene Faust erkundeten und so per Foto die Bärenexistenz belegen konnten. Eine Schiffstour auf der Saale stromaufwärts rundete den Reisetag ab.
Im Mittelpunkt des vierten Reisetags standen die Städte Merseburg und Naumburg. Während die erste mit ihren frühmittelalterlichen Zaubersprüchen (erste schriftliche Denkmäler in altdeutscher Sprache) und einem beeindruckenden Dom- und Schlossensemble aufwarten konnte, bestach das Städtchen Naumburg durch seine prächtig restaurierten Bürgerhäuser und seinem viertürmigen Dom mit den weltbekannten Stifterfiguren (u.a. Uta, allen bekannt aus Kreuzworträtseln). In Merseburg überraschte zudem die neue Willi-Sitte-Galerie mit den Werken eines Künstlers, der 1940 für ein Jahr lang auch an der Werner-Peiner-Malerakademie in Kronenburg als „Lehrling“ gearbeitet hatte. So spannte sich ein interessanter Bogen von Dahlem nach Bernburg.
Im Zentrum des fünften Reisetags stand die historische Lutherstadt Wittenberg an der Elbe, wo sinnvoller Weise der Reformator Martin Luther im Mittelpunkt stand, zumal in diesem Jahr der 500 Jahrestag der Reformation gefeiert wird. Neben der Thesentür an der Schlosskirche, dem Lutherdenkmal und dem Melanchthon-Haus zog die emsige Betriebsamkeit in der Stadt die Aufmerksamkeit der Reisegruppe auf sich. Dutzende von Jahrmarkt- und Handwerksbuden, Informations- und Essenständen wurden für das historische Stadtfest am darauf folgenden Wochenende vorbereitet, zu dem Zehntausende von Besuchern erwartet wurden. Die Zufahrtsstraßen in das Stadtzentrum wurden ebenfalls bereits mit schweren Betonblöcken verbarrikadiert (Schutzmaßnahmen gegen Terrorgefahr), so dass der Reisebus die Stadt gerade noch so verlassen konnte und zwei geführten Spaziergängen (ein- und zweistündig) durch den Landschaftspark Wörlitz mit seinen Brücken, Kanälen und kunstvollen Bauwerken nichts mehr im Wege stand. Etwas dürftig fiel allerdings der einstündige Spaziergang der einen Gruppe aus: minimaler Bewegungsradius und Verharren vor Bildern, so dass diese Gruppe vom Park nicht viel „erlebte“.
Die Metropole und Messestadt Leipzig war Ziel des sechsten Tages. Die Stadtbesichtigung unter fachkundiger Führung stand im Wesentlichen im Zeichen von großartig restaurierter Altstadt und musikalischen und literarischen Künstlern und Größen, wie z.B. Johann Sebastian Bach oder Johann Wolfgang von Goethe. Dr. Faust aus dem gleichnamigen Drama von Goethe wurde dagegen leider nicht in „Auerbachs Keller“ angetroffen! Dafür hatten einige Reisende das Glück, in der Thomaskirche und der Nikolaikirche an Chor- und Orchesterproben, wenn auch wegen der Zeitknappheit nur kurz teilhaben zu können. Die Nikolaikirche hatte während der friedlichen Revolution 1989 eine zentrale Rolle gespielt, darauf wurde mit Recht besonders ausführlich eingegangen. Der Besuch des Völkerschlachtdenkmals (zur Erinnerung an die Befreiungskriege 1813) vor den Toren der Stadt rundete den Besuchstag in Leipzig ab.
Jede noch so schöne Jahresfahrt geht einmal zu Ende. So war mit dem 11.06. auch der Rückreisetag angebrochen. Aber nur nicht eilen, lautete die Devise. So sah das Programm noch einen Zwischenstopp mit Mittagspause in Goslar im Harz vor. Ein bestens bewanderter Stadtführer zog als Insider alle Register seines Könnens und hielt bis zuletzt das Interesse und die Spannung der Reisenden wach. Goslar: in der Tat ein „Juwel deutscher Kulturgeschichte“! Und dann ging es ab nach Schmidtheim, wo man mit den normalen Koffern und einem zusätzlichen „Koffer“, angefüllt mit Wissen und schönen Erinnerungen, um 21 Uhr eintraf.
Die Reisewoche zeigte nicht nur ein weites anhaltinisches, landwirtschaftlich geprägte Bundesland mit beindruckenden Baudenkmälern, Kunstschätzen und regionalen kulinarischen Spezialitäten, sondern die Besucher aus der Eifel konnten sich persönlich davon überzeugen, welche Anstrengungen seit der Wiedervereinigung Deutschlands gemacht worden sind und noch gemacht werden, die Verkehrswege und die oftmals in der DDR-Zeit dem Verfall preisgegebenen Altstädte für Bewohner wie für Touristen wieder attraktiv zu machen. Über den Nutzen des Solidaritätszuschlags, eingefordert im Westen wie im Osten, wurde deshalb nicht gestritten. Zu loben wäre auch das vielfältige Engagement vieler privater Investoren. Fazit: eine in allen Belangen lohnenswerte Reise, die Appetit auf mehr (Jahresfahrt 2018) macht. Gäste werden wie immer willkommen sein.